Urbanisierung in Andermatt
Andermatt hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel erlebt. Ursprünglich bekannt für seine idyllische Landschaft, die Lage an der bedeutenden „St. Gotthard“ Nord-Süd-Achse und als militärischer Standort, hat sich Andermatt zu einem dynamischen Zentrum für Tourismus und nachhaltige Entwicklung gewandelt. Getrieben durch erhebliche Investitionen, insbesondere durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris, wurde das Dorf mit neuen Hotels, Skiinfrastrukturen und Wohnprojekten transformiert. Diese Urbanisierung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Im Interview erläutert Erich Renner, ein ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung und Gemeinderat in Andermatt, die vielfältigen Aspekte dieses Wandels und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und Umwelt.
Christian Greder (Text)
Herr Renner, als ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Urbanisierung von Bergdörfern, insbesondere in Andermatt?
Urbanisierung bringt mehrere Probleme mit sich, wobei der Verkehr am auffälligsten ist. Neben dem üblichen Passverkehr im Sommer und dem Wintersportverkehr gibt es nun auch erheblichen gewerblichen Verkehr. Lastwagen, die Baumaterialien liefern, sowie Lieferungen für lokale Geschäfte und Restaurants sind ständig unterwegs. Auch nehmen die täglichen Pendlerzahlen zu. Ein weiteres grosses Problem ist der Mangel an Wohnraum. Dies ist nicht nur ein Problem in Andermatt, sondern auch in anderen Alpenregionen. Viele Häuser werden als Zweitwohnungen von Städtern genutzt, was die Wohnmöglichkeiten für die einheimische Bevölkerung, insbesondere der Jugend einschränkt. Der zunehmende Verkehr und der Wohnraummangel sind die zwei grössten negativen Aspekte der Urbanisierung.
Es gibt jedoch auch positive Veränderungen. Besonders bemerkenswert ist der starke Anstieg an Arbeitsplätzen. Neben dem erwarteten Wachstum im Tourismus haben lokale Gewerbebetriebe wie Schreiner, Sanitär, Elektrizitätswerk und Transportdienstleistungen erheblich zugelegt. Dies hat nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch mehr Lehrstellen, sodass viele einheimische Jugendliche ihre Ausbildung im Dorf absolvieren können.
Wie wirkt sich die Urbanisierung auf das traditionelle Dorfleben in Andermatt aus? Gibt es kulturelle Veränderungen oder Anpassungen?
Eine Langzeitstudie der Hochschule Luzern für Soziale Arbeit hat die Auswirkungen dieser Veränderungen über mehrere Jahre untersucht. Historisch gesehen hat sich Andermatt immer wieder an externe Einflüsse angepasst, vom mittelalterlichen Transitverkehr über den Gotthard bis zur Militärpräsenz und den modernen Freizeitaktivitäten wie Skifahren und Passfahrten. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich auch in den aktuellen Entwicklungen. Anfangs gab es grosse Euphorie, als Investitionsversprechen gemacht wurden, die dann nachliess, als Umsetzungsverzögerungen auftraten. Die Stimmung besserte sich wieder, als die Projekte Fortschritte machten, aber Wohnraummangel bleibt ein zentrales Anliegen.
Urbanisierung beeinflusst die lokale Kultur und das Dorfleben, insbesondere durch den knappen Wohnraum. Wenn junge Einheimische nicht in Andermatt leben können, leiden Gemeinschaftsaktivitäten und in Zukunft auch wichtige Dienste wie die Feuerwehr. Trotz des zunehmenden Verkehrs laufen die Bestrebungen harzig, den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Die kulturelle Anpassung an ein urbaneres Leben, einschliesslich weniger Abhängigkeit vom Auto, hinkt noch weit hinterher.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsstrategien in Andermatt bei der aktuellen und zukünftigen Urbanisierung der Alpenregion?
Unser aktiver Gemeinderat hat in seiner Gemeindestrategie stark auf Nachhaltigkeit gesetzt. Wir befinden uns in den letzten Zügen der Verabschiedung eines umfassenden Siedlungs- und Verkehrsleitbilds, das z.B. darauf abzielt, langfristig den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern, den Autoverkehr im Dorf zu reduzieren und neues Dorfgebiet zu schaffen. Beispielsweise soll ein grosses, derzeit als Parkplatz und von der Armee genutztes Areal nachhaltig als Wohn- und Beherbergungsangebot im bezahlbaren Segment inkl. Naherholungs- und Versorgungseinrichtungen entwickelt werden. Auch sind unterirdische Parkierungsanlagen an den Dorfeingängen geplant um den Bedarf an Autostellplätzen im Dorf zu verringern. Nachhaltigkeit spielt auch bei neuen Entwicklungen der Wohn- und Gewerbebauten eine Schlüsselrolle, mit Bemühungen um den Einsatz erneuerbarer Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie.
Inwiefern beeinflusst der Tourismus die Urbanisierungsstrategie (soll dieser Begriff wirklich beibehalten werden? Vielleicht besser nur „die Urbanisierung“) von Andermatt? Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich daraus?
Andermatt hatte keine formelle Urbanisierungsstrategie, weshalb wir oft auf Entwicklungen reagieren müssen, aber dabei sind, auch proaktiv zu handeln. Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes ist das Wohnungsproblem, das absehbar war, aber nicht angemessen angegangen wurde. Jetzt ist die Gemeinde, wie oben erwähnt, massgebend an der Siedlungsentwicklung beteiligt und hat neuestens auch schon bestehende Wohnbauten als Gemeindebesitz erworben. Insgesamt hat der Zustrom von Investitionen und die Neuausrichtung des Tourismus enorme wirtschaftliche Vorteile gebracht, die Infrastruktur belebt und das Steuersubstrat massiv angehoben.
Was sind die wichtigsten Schritte, um die Umweltbelastung durch die Urbanisierung im Alpenraum zu minimieren?
Wichtige Schritte sind die Implementierung einer umfassenden Planung von Anfang an, um Verkehr, Wohnraum und Nachhaltigkeit in den wirtschaftlichen Aktivitäten effektiv zu managen. Dies erfordert Strategien, die die rasante Entwicklung mit dem Umweltschutz in Einklang bringen.
Wie können Infrastruktur und Dienstleistungen in Bergdörfern wie Andermatt verbessert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung gerecht zu werden?
Die Verbesserung des öffentlichen (Nah-)Verkehrs, der Erhalt und Ausbau lokaler Versorgungsmöglichkeiten und die Sicherstellung ausreichenden Wohnraums sind entscheidend. Der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur, auch im Freizeitbereich (z.B. Indoor-Angebote), die sowohl den Einheimischen, Zweitwohnungsbesitzer:innen (neu: Zweitheimischen) als auch den Touristen dient, ist für ein ausgewogenes Wachstum unerlässlich.
Gibt es spezifische Erfolgsbeispiele für nachhaltige Urbanisierungsprojekte in Andermatt, die als Vorbild für andere Bergdörfer dienen könnten?
Andermatts Integration nachhaltiger Praktiken in Entwicklungsprojekte, wie die Schaffung einer autofreien Zone im Resort, das umfassende und koordinierte Angebot in der E-Mobilität (Sportbus, Rufbus, Auto- und Fahrradverleih) und die Investition in erneuerbare Energien, kann als Modell dienen. Die Einbindung lokaler und regionaler Unternehmen in diese Projekte ist unerlässlich und hat sich ebenfalls als vorteilhaft erwiesen.
Welche Rolle spielt die lokale Bevölkerung in der Planung und Umsetzung von Projekten in Andermatt?
Während die strategische Ausrichtung und die Ausarbeitung von Leitbildern und Siedlungsplänen hauptsächlich von den Behörden iniziiert werden, ist die lokale Bevölkerung durch die demokratischen Prozesse und Partizipation an der Nutzungsplanung und bei gemeindefinanzierten Projekten direkt eingebunden. Die laufende öffentliche Beteiligung ist entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz von Urbanisierungsbemühungen (ohne diese als solche zu benennen, das würde nicht gut ankommen!).
Welche langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie durch die Urbanisierung von Andermatt auf die gesamte Region?
Die Urbanisierung von Andermatt hat schon und dürfte zukünftig weiter einen positiven Spillover-Effekt auf die umliegenden Gebiete haben, lokales und regionales Wirtschaften revitalisieren und die Abwanderung verringern. Die Schaffung eines zweiten wirtschaftlichen Zentrums im Kanton neben Altdorf, weist auf ein erhebliches Wirtschaftswachstumspotenzial im ganzen Kanton hin.
Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie anderen Gemeinden in den Alpen geben, die eine Urbanisierung planen, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten?
Urbanisierung ist nicht geplant und nicht das Ziel der Bevölkerung des Alpenraumes! Vielmehr aber müssen die weniger beachteten Folgen der Entwicklungen, welche zur Urbanisierung auch der Berggebiete führten und noch führen, im Auge behalten und antizipiert werden. Gemeinden sollten von Anfang an eine umfassende Planung verfolgen, die sicherstellt, dass alle Projekte einem übergeordneten Konzept der Nachhaltigkeit entsprechen. Es ist wichtig, neben den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft, das lokale Humankapital zu entwickeln, um den wirtschaftlichen Anforderungen entgegen zu kommen und die Adaptionsfähigkeit der Menschen für den rasanten kulturellen und technologischen Wandel zu erhöhen. Auch gilt es hohe städtebauliche und architektonische Standards zu pflegen, innovatives, Nachhaltigkeits-orientiertes Unternehmertum zu fördern und auf nachhaltige Investitionen und wirtschaftliche Praktiken zu achten.
Urbanisierung in Andermatt
Andermatt hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel erlebt. Ursprünglich bekannt für seine idyllische Landschaft, die Lage an der bedeutenden „St. Gotthard“ Nord-Süd-Achse und als militärischer Standort, hat sich Andermatt zu einem dynamischen Zentrum für Tourismus und nachhaltige Entwicklung gewandelt. Getrieben durch erhebliche Investitionen, insbesondere durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris, wurde das Dorf mit neuen Hotels, Skiinfrastrukturen und Wohnprojekten transformiert. Diese Urbanisierung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Im Interview erläutert Erich Renner, ein ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung und Gemeinderat in Andermatt, die vielfältigen Aspekte dieses Wandels und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und Umwelt.
Christian Greder (Text)
Herr Renner, als ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Urbanisierung von Bergdörfern, insbesondere in Andermatt?
Urbanisierung bringt mehrere Probleme mit sich, wobei der Verkehr am auffälligsten ist. Neben dem üblichen Passverkehr im Sommer und dem Wintersportverkehr gibt es nun auch erheblichen gewerblichen Verkehr. Lastwagen, die Baumaterialien liefern, sowie Lieferungen für lokale Geschäfte und Restaurants sind ständig unterwegs. Auch nehmen die täglichen Pendlerzahlen zu. Ein weiteres grosses Problem ist der Mangel an Wohnraum. Dies ist nicht nur ein Problem in Andermatt, sondern auch in anderen Alpenregionen. Viele Häuser werden als Zweitwohnungen von Städtern genutzt, was die Wohnmöglichkeiten für die einheimische Bevölkerung, insbesondere der Jugend einschränkt. Der zunehmende Verkehr und der Wohnraummangel sind die zwei grössten negativen Aspekte der Urbanisierung.
Es gibt jedoch auch positive Veränderungen. Besonders bemerkenswert ist der starke Anstieg an Arbeitsplätzen. Neben dem erwarteten Wachstum im Tourismus haben lokale Gewerbebetriebe wie Schreiner, Sanitär, Elektrizitätswerk und Transportdienstleistungen erheblich zugelegt. Dies hat nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch mehr Lehrstellen, sodass viele einheimische Jugendliche ihre Ausbildung im Dorf absolvieren können.
Wie wirkt sich die Urbanisierung auf das traditionelle Dorfleben in Andermatt aus? Gibt es kulturelle Veränderungen oder Anpassungen?
Eine Langzeitstudie der Hochschule Luzern für Soziale Arbeit hat die Auswirkungen dieser Veränderungen über mehrere Jahre untersucht. Historisch gesehen hat sich Andermatt immer wieder an externe Einflüsse angepasst, vom mittelalterlichen Transitverkehr über den Gotthard bis zur Militärpräsenz und den modernen Freizeitaktivitäten wie Skifahren und Passfahrten. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich auch in den aktuellen Entwicklungen. Anfangs gab es grosse Euphorie, als Investitionsversprechen gemacht wurden, die dann nachliess, als Umsetzungsverzögerungen auftraten. Die Stimmung besserte sich wieder, als die Projekte Fortschritte machten, aber Wohnraummangel bleibt ein zentrales Anliegen.
Urbanisierung beeinflusst die lokale Kultur und das Dorfleben, insbesondere durch den knappen Wohnraum. Wenn junge Einheimische nicht in Andermatt leben können, leiden Gemeinschaftsaktivitäten und in Zukunft auch wichtige Dienste wie die Feuerwehr. Trotz des zunehmenden Verkehrs laufen die Bestrebungen harzig, den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Die kulturelle Anpassung an ein urbaneres Leben, einschliesslich weniger Abhängigkeit vom Auto, hinkt noch weit hinterher.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsstrategien in Andermatt bei der aktuellen und zukünftigen Urbanisierung der Alpenregion?
Unser aktiver Gemeinderat hat in seiner Gemeindestrategie stark auf Nachhaltigkeit gesetzt. Wir befinden uns in den letzten Zügen der Verabschiedung eines umfassenden Siedlungs- und Verkehrsleitbilds, das z.B. darauf abzielt, langfristig den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern, den Autoverkehr im Dorf zu reduzieren und neues Dorfgebiet zu schaffen. Beispielsweise soll ein grosses, derzeit als Parkplatz und von der Armee genutztes Areal nachhaltig als Wohn- und Beherbergungsangebot im bezahlbaren Segment inkl. Naherholungs- und Versorgungseinrichtungen entwickelt werden. Auch sind unterirdische Parkierungsanlagen an den Dorfeingängen geplant um den Bedarf an Autostellplätzen im Dorf zu verringern. Nachhaltigkeit spielt auch bei neuen Entwicklungen der Wohn- und Gewerbebauten eine Schlüsselrolle, mit Bemühungen um den Einsatz erneuerbarer Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie.
Inwiefern beeinflusst der Tourismus die Urbanisierungsstrategie (soll dieser Begriff wirklich beibehalten werden? Vielleicht besser nur „die Urbanisierung“) von Andermatt? Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich daraus?
Andermatt hatte keine formelle Urbanisierungsstrategie, weshalb wir oft auf Entwicklungen reagieren müssen, aber dabei sind, auch proaktiv zu handeln. Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes ist das Wohnungsproblem, das absehbar war, aber nicht angemessen angegangen wurde. Jetzt ist die Gemeinde, wie oben erwähnt, massgebend an der Siedlungsentwicklung beteiligt und hat neuestens auch schon bestehende Wohnbauten als Gemeindebesitz erworben. Insgesamt hat der Zustrom von Investitionen und die Neuausrichtung des Tourismus enorme wirtschaftliche Vorteile gebracht, die Infrastruktur belebt und das Steuersubstrat massiv angehoben.
Was sind die wichtigsten Schritte, um die Umweltbelastung durch die Urbanisierung im Alpenraum zu minimieren?
Wichtige Schritte sind die Implementierung einer umfassenden Planung von Anfang an, um Verkehr, Wohnraum und Nachhaltigkeit in den wirtschaftlichen Aktivitäten effektiv zu managen. Dies erfordert Strategien, die die rasante Entwicklung mit dem Umweltschutz in Einklang bringen.
Wie können Infrastruktur und Dienstleistungen in Bergdörfern wie Andermatt verbessert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung gerecht zu werden?
Die Verbesserung des öffentlichen (Nah-)Verkehrs, der Erhalt und Ausbau lokaler Versorgungsmöglichkeiten und die Sicherstellung ausreichenden Wohnraums sind entscheidend. Der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur, auch im Freizeitbereich (z.B. Indoor-Angebote), die sowohl den Einheimischen, Zweitwohnungsbesitzer:innen (neu: Zweitheimischen) als auch den Touristen dient, ist für ein ausgewogenes Wachstum unerlässlich.
Gibt es spezifische Erfolgsbeispiele für nachhaltige Urbanisierungsprojekte in Andermatt, die als Vorbild für andere Bergdörfer dienen könnten?
Andermatts Integration nachhaltiger Praktiken in Entwicklungsprojekte, wie die Schaffung einer autofreien Zone im Resort, das umfassende und koordinierte Angebot in der E-Mobilität (Sportbus, Rufbus, Auto- und Fahrradverleih) und die Investition in erneuerbare Energien, kann als Modell dienen. Die Einbindung lokaler und regionaler Unternehmen in diese Projekte ist unerlässlich und hat sich ebenfalls als vorteilhaft erwiesen.
Welche Rolle spielt die lokale Bevölkerung in der Planung und Umsetzung von Projekten in Andermatt?
Während die strategische Ausrichtung und die Ausarbeitung von Leitbildern und Siedlungsplänen hauptsächlich von den Behörden iniziiert werden, ist die lokale Bevölkerung durch die demokratischen Prozesse und Partizipation an der Nutzungsplanung und bei gemeindefinanzierten Projekten direkt eingebunden. Die laufende öffentliche Beteiligung ist entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz von Urbanisierungsbemühungen (ohne diese als solche zu benennen, das würde nicht gut ankommen!).
Welche langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie durch die Urbanisierung von Andermatt auf die gesamte Region?
Die Urbanisierung von Andermatt hat schon und dürfte zukünftig weiter einen positiven Spillover-Effekt auf die umliegenden Gebiete haben, lokales und regionales Wirtschaften revitalisieren und die Abwanderung verringern. Die Schaffung eines zweiten wirtschaftlichen Zentrums im Kanton neben Altdorf, weist auf ein erhebliches Wirtschaftswachstumspotenzial im ganzen Kanton hin.
Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie anderen Gemeinden in den Alpen geben, die eine Urbanisierung planen, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten?
Urbanisierung ist nicht geplant und nicht das Ziel der Bevölkerung des Alpenraumes! Vielmehr aber müssen die weniger beachteten Folgen der Entwicklungen, welche zur Urbanisierung auch der Berggebiete führten und noch führen, im Auge behalten und antizipiert werden. Gemeinden sollten von Anfang an eine umfassende Planung verfolgen, die sicherstellt, dass alle Projekte einem übergeordneten Konzept der Nachhaltigkeit entsprechen. Es ist wichtig, neben den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft, das lokale Humankapital zu entwickeln, um den wirtschaftlichen Anforderungen entgegen zu kommen und die Adaptionsfähigkeit der Menschen für den rasanten kulturellen und technologischen Wandel zu erhöhen. Auch gilt es hohe städtebauliche und architektonische Standards zu pflegen, innovatives, Nachhaltigkeits-orientiertes Unternehmertum zu fördern und auf nachhaltige Investitionen und wirtschaftliche Praktiken zu achten.
Urbanisierung in Andermatt
Andermatt hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel erlebt. Ursprünglich bekannt für seine idyllische Landschaft, die Lage an der bedeutenden „St. Gotthard“ Nord-Süd-Achse und als militärischer Standort, hat sich Andermatt zu einem dynamischen Zentrum für Tourismus und nachhaltige Entwicklung gewandelt. Getrieben durch erhebliche Investitionen, insbesondere durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris, wurde das Dorf mit neuen Hotels, Skiinfrastrukturen und Wohnprojekten transformiert. Diese Urbanisierung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Im Interview erläutert Erich Renner, ein ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung und Gemeinderat in Andermatt, die vielfältigen Aspekte dieses Wandels und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und Umwelt.
Christian Greder (Text)
Herr Renner, als ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Urbanisierung von Bergdörfern, insbesondere in Andermatt?
Urbanisierung bringt mehrere Probleme mit sich, wobei der Verkehr am auffälligsten ist. Neben dem üblichen Passverkehr im Sommer und dem Wintersportverkehr gibt es nun auch erheblichen gewerblichen Verkehr. Lastwagen, die Baumaterialien liefern, sowie Lieferungen für lokale Geschäfte und Restaurants sind ständig unterwegs. Auch nehmen die täglichen Pendlerzahlen zu. Ein weiteres grosses Problem ist der Mangel an Wohnraum. Dies ist nicht nur ein Problem in Andermatt, sondern auch in anderen Alpenregionen. Viele Häuser werden als Zweitwohnungen von Städtern genutzt, was die Wohnmöglichkeiten für die einheimische Bevölkerung, insbesondere der Jugend einschränkt. Der zunehmende Verkehr und der Wohnraummangel sind die zwei grössten negativen Aspekte der Urbanisierung.
Es gibt jedoch auch positive Veränderungen. Besonders bemerkenswert ist der starke Anstieg an Arbeitsplätzen. Neben dem erwarteten Wachstum im Tourismus haben lokale Gewerbebetriebe wie Schreiner, Sanitär, Elektrizitätswerk und Transportdienstleistungen erheblich zugelegt. Dies hat nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch mehr Lehrstellen, sodass viele einheimische Jugendliche ihre Ausbildung im Dorf absolvieren können.
Wie wirkt sich die Urbanisierung auf das traditionelle Dorfleben in Andermatt aus? Gibt es kulturelle Veränderungen oder Anpassungen?
Eine Langzeitstudie der Hochschule Luzern für Soziale Arbeit hat die Auswirkungen dieser Veränderungen über mehrere Jahre untersucht. Historisch gesehen hat sich Andermatt immer wieder an externe Einflüsse angepasst, vom mittelalterlichen Transitverkehr über den Gotthard bis zur Militärpräsenz und den modernen Freizeitaktivitäten wie Skifahren und Passfahrten. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich auch in den aktuellen Entwicklungen. Anfangs gab es grosse Euphorie, als Investitionsversprechen gemacht wurden, die dann nachliess, als Umsetzungsverzögerungen auftraten. Die Stimmung besserte sich wieder, als die Projekte Fortschritte machten, aber Wohnraummangel bleibt ein zentrales Anliegen.
Urbanisierung beeinflusst die lokale Kultur und das Dorfleben, insbesondere durch den knappen Wohnraum. Wenn junge Einheimische nicht in Andermatt leben können, leiden Gemeinschaftsaktivitäten und in Zukunft auch wichtige Dienste wie die Feuerwehr. Trotz des zunehmenden Verkehrs laufen die Bestrebungen harzig, den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Die kulturelle Anpassung an ein urbaneres Leben, einschliesslich weniger Abhängigkeit vom Auto, hinkt noch weit hinterher.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsstrategien in Andermatt bei der aktuellen und zukünftigen Urbanisierung der Alpenregion?
Unser aktiver Gemeinderat hat in seiner Gemeindestrategie stark auf Nachhaltigkeit gesetzt. Wir befinden uns in den letzten Zügen der Verabschiedung eines umfassenden Siedlungs- und Verkehrsleitbilds, das z.B. darauf abzielt, langfristig den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern, den Autoverkehr im Dorf zu reduzieren und neues Dorfgebiet zu schaffen. Beispielsweise soll ein grosses, derzeit als Parkplatz und von der Armee genutztes Areal nachhaltig als Wohn- und Beherbergungsangebot im bezahlbaren Segment inkl. Naherholungs- und Versorgungseinrichtungen entwickelt werden. Auch sind unterirdische Parkierungsanlagen an den Dorfeingängen geplant um den Bedarf an Autostellplätzen im Dorf zu verringern. Nachhaltigkeit spielt auch bei neuen Entwicklungen der Wohn- und Gewerbebauten eine Schlüsselrolle, mit Bemühungen um den Einsatz erneuerbarer Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie.
Inwiefern beeinflusst der Tourismus die Urbanisierungsstrategie (soll dieser Begriff wirklich beibehalten werden? Vielleicht besser nur „die Urbanisierung“) von Andermatt? Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich daraus?
Andermatt hatte keine formelle Urbanisierungsstrategie, weshalb wir oft auf Entwicklungen reagieren müssen, aber dabei sind, auch proaktiv zu handeln. Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes ist das Wohnungsproblem, das absehbar war, aber nicht angemessen angegangen wurde. Jetzt ist die Gemeinde, wie oben erwähnt, massgebend an der Siedlungsentwicklung beteiligt und hat neuestens auch schon bestehende Wohnbauten als Gemeindebesitz erworben. Insgesamt hat der Zustrom von Investitionen und die Neuausrichtung des Tourismus enorme wirtschaftliche Vorteile gebracht, die Infrastruktur belebt und das Steuersubstrat massiv angehoben.
Was sind die wichtigsten Schritte, um die Umweltbelastung durch die Urbanisierung im Alpenraum zu minimieren?
Wichtige Schritte sind die Implementierung einer umfassenden Planung von Anfang an, um Verkehr, Wohnraum und Nachhaltigkeit in den wirtschaftlichen Aktivitäten effektiv zu managen. Dies erfordert Strategien, die die rasante Entwicklung mit dem Umweltschutz in Einklang bringen.
Wie können Infrastruktur und Dienstleistungen in Bergdörfern wie Andermatt verbessert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung gerecht zu werden?
Die Verbesserung des öffentlichen (Nah-)Verkehrs, der Erhalt und Ausbau lokaler Versorgungsmöglichkeiten und die Sicherstellung ausreichenden Wohnraums sind entscheidend. Der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur, auch im Freizeitbereich (z.B. Indoor-Angebote), die sowohl den Einheimischen, Zweitwohnungsbesitzer:innen (neu: Zweitheimischen) als auch den Touristen dient, ist für ein ausgewogenes Wachstum unerlässlich.
Gibt es spezifische Erfolgsbeispiele für nachhaltige Urbanisierungsprojekte in Andermatt, die als Vorbild für andere Bergdörfer dienen könnten?
Andermatts Integration nachhaltiger Praktiken in Entwicklungsprojekte, wie die Schaffung einer autofreien Zone im Resort, das umfassende und koordinierte Angebot in der E-Mobilität (Sportbus, Rufbus, Auto- und Fahrradverleih) und die Investition in erneuerbare Energien, kann als Modell dienen. Die Einbindung lokaler und regionaler Unternehmen in diese Projekte ist unerlässlich und hat sich ebenfalls als vorteilhaft erwiesen.
Welche Rolle spielt die lokale Bevölkerung in der Planung und Umsetzung von Projekten in Andermatt?
Während die strategische Ausrichtung und die Ausarbeitung von Leitbildern und Siedlungsplänen hauptsächlich von den Behörden iniziiert werden, ist die lokale Bevölkerung durch die demokratischen Prozesse und Partizipation an der Nutzungsplanung und bei gemeindefinanzierten Projekten direkt eingebunden. Die laufende öffentliche Beteiligung ist entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz von Urbanisierungsbemühungen (ohne diese als solche zu benennen, das würde nicht gut ankommen!).
Welche langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie durch die Urbanisierung von Andermatt auf die gesamte Region?
Die Urbanisierung von Andermatt hat schon und dürfte zukünftig weiter einen positiven Spillover-Effekt auf die umliegenden Gebiete haben, lokales und regionales Wirtschaften revitalisieren und die Abwanderung verringern. Die Schaffung eines zweiten wirtschaftlichen Zentrums im Kanton neben Altdorf, weist auf ein erhebliches Wirtschaftswachstumspotenzial im ganzen Kanton hin.
Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie anderen Gemeinden in den Alpen geben, die eine Urbanisierung planen, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten?
Urbanisierung ist nicht geplant und nicht das Ziel der Bevölkerung des Alpenraumes! Vielmehr aber müssen die weniger beachteten Folgen der Entwicklungen, welche zur Urbanisierung auch der Berggebiete führten und noch führen, im Auge behalten und antizipiert werden. Gemeinden sollten von Anfang an eine umfassende Planung verfolgen, die sicherstellt, dass alle Projekte einem übergeordneten Konzept der Nachhaltigkeit entsprechen. Es ist wichtig, neben den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft, das lokale Humankapital zu entwickeln, um den wirtschaftlichen Anforderungen entgegen zu kommen und die Adaptionsfähigkeit der Menschen für den rasanten kulturellen und technologischen Wandel zu erhöhen. Auch gilt es hohe städtebauliche und architektonische Standards zu pflegen, innovatives, Nachhaltigkeits-orientiertes Unternehmertum zu fördern und auf nachhaltige Investitionen und wirtschaftliche Praktiken zu achten.
Urbanisierung in Andermatt
Andermatt hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Wandel erlebt. Ursprünglich bekannt für seine idyllische Landschaft, die Lage an der bedeutenden „St. Gotthard“ Nord-Süd-Achse und als militärischer Standort, hat sich Andermatt zu einem dynamischen Zentrum für Tourismus und nachhaltige Entwicklung gewandelt. Getrieben durch erhebliche Investitionen, insbesondere durch den ägyptischen Investor Samih Sawiris, wurde das Dorf mit neuen Hotels, Skiinfrastrukturen und Wohnprojekten transformiert. Diese Urbanisierung bringt sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Im Interview erläutert Erich Renner, ein ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung und Gemeinderat in Andermatt, die vielfältigen Aspekte dieses Wandels und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und Umwelt.
Christian Greder (Text)
Herr Renner, als ehemaliger Professor für Nachhaltige Entwicklung: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Urbanisierung von Bergdörfern, insbesondere in Andermatt?
Urbanisierung bringt mehrere Probleme mit sich, wobei der Verkehr am auffälligsten ist. Neben dem üblichen Passverkehr im Sommer und dem Wintersportverkehr gibt es nun auch erheblichen gewerblichen Verkehr. Lastwagen, die Baumaterialien liefern, sowie Lieferungen für lokale Geschäfte und Restaurants sind ständig unterwegs. Auch nehmen die täglichen Pendlerzahlen zu. Ein weiteres grosses Problem ist der Mangel an Wohnraum. Dies ist nicht nur ein Problem in Andermatt, sondern auch in anderen Alpenregionen. Viele Häuser werden als Zweitwohnungen von Städtern genutzt, was die Wohnmöglichkeiten für die einheimische Bevölkerung, insbesondere der Jugend einschränkt. Der zunehmende Verkehr und der Wohnraummangel sind die zwei grössten negativen Aspekte der Urbanisierung.
Es gibt jedoch auch positive Veränderungen. Besonders bemerkenswert ist der starke Anstieg an Arbeitsplätzen. Neben dem erwarteten Wachstum im Tourismus haben lokale Gewerbebetriebe wie Schreiner, Sanitär, Elektrizitätswerk und Transportdienstleistungen erheblich zugelegt. Dies hat nicht nur Arbeitsplätze geschaffen, sondern auch mehr Lehrstellen, sodass viele einheimische Jugendliche ihre Ausbildung im Dorf absolvieren können.
Wie wirkt sich die Urbanisierung auf das traditionelle Dorfleben in Andermatt aus? Gibt es kulturelle Veränderungen oder Anpassungen?
Eine Langzeitstudie der Hochschule Luzern für Soziale Arbeit hat die Auswirkungen dieser Veränderungen über mehrere Jahre untersucht. Historisch gesehen hat sich Andermatt immer wieder an externe Einflüsse angepasst, vom mittelalterlichen Transitverkehr über den Gotthard bis zur Militärpräsenz und den modernen Freizeitaktivitäten wie Skifahren und Passfahrten. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich auch in den aktuellen Entwicklungen. Anfangs gab es grosse Euphorie, als Investitionsversprechen gemacht wurden, die dann nachliess, als Umsetzungsverzögerungen auftraten. Die Stimmung besserte sich wieder, als die Projekte Fortschritte machten, aber Wohnraummangel bleibt ein zentrales Anliegen.
Urbanisierung beeinflusst die lokale Kultur und das Dorfleben, insbesondere durch den knappen Wohnraum. Wenn junge Einheimische nicht in Andermatt leben können, leiden Gemeinschaftsaktivitäten und in Zukunft auch wichtige Dienste wie die Feuerwehr. Trotz des zunehmenden Verkehrs laufen die Bestrebungen harzig, den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Die kulturelle Anpassung an ein urbaneres Leben, einschliesslich weniger Abhängigkeit vom Auto, hinkt noch weit hinterher.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeitsstrategien in Andermatt bei der aktuellen und zukünftigen Urbanisierung der Alpenregion?
Unser aktiver Gemeinderat hat in seiner Gemeindestrategie stark auf Nachhaltigkeit gesetzt. Wir befinden uns in den letzten Zügen der Verabschiedung eines umfassenden Siedlungs- und Verkehrsleitbilds, das z.B. darauf abzielt, langfristig den öffentlichen Nahverkehr zu verbessern, den Autoverkehr im Dorf zu reduzieren und neues Dorfgebiet zu schaffen. Beispielsweise soll ein grosses, derzeit als Parkplatz und von der Armee genutztes Areal nachhaltig als Wohn- und Beherbergungsangebot im bezahlbaren Segment inkl. Naherholungs- und Versorgungseinrichtungen entwickelt werden. Auch sind unterirdische Parkierungsanlagen an den Dorfeingängen geplant um den Bedarf an Autostellplätzen im Dorf zu verringern. Nachhaltigkeit spielt auch bei neuen Entwicklungen der Wohn- und Gewerbebauten eine Schlüsselrolle, mit Bemühungen um den Einsatz erneuerbarer Energiequellen wie Wind- und Sonnenenergie.
Inwiefern beeinflusst der Tourismus die Urbanisierungsstrategie (soll dieser Begriff wirklich beibehalten werden? Vielleicht besser nur „die Urbanisierung“) von Andermatt? Welche Vorteile und Nachteile ergeben sich daraus?
Andermatt hatte keine formelle Urbanisierungsstrategie, weshalb wir oft auf Entwicklungen reagieren müssen, aber dabei sind, auch proaktiv zu handeln. Ein wesentlicher Nachteil dieses Ansatzes ist das Wohnungsproblem, das absehbar war, aber nicht angemessen angegangen wurde. Jetzt ist die Gemeinde, wie oben erwähnt, massgebend an der Siedlungsentwicklung beteiligt und hat neuestens auch schon bestehende Wohnbauten als Gemeindebesitz erworben. Insgesamt hat der Zustrom von Investitionen und die Neuausrichtung des Tourismus enorme wirtschaftliche Vorteile gebracht, die Infrastruktur belebt und das Steuersubstrat massiv angehoben.
Was sind die wichtigsten Schritte, um die Umweltbelastung durch die Urbanisierung im Alpenraum zu minimieren?
Wichtige Schritte sind die Implementierung einer umfassenden Planung von Anfang an, um Verkehr, Wohnraum und Nachhaltigkeit in den wirtschaftlichen Aktivitäten effektiv zu managen. Dies erfordert Strategien, die die rasante Entwicklung mit dem Umweltschutz in Einklang bringen.
Wie können Infrastruktur und Dienstleistungen in Bergdörfern wie Andermatt verbessert werden, um den Anforderungen der Bevölkerung gerecht zu werden?
Die Verbesserung des öffentlichen (Nah-)Verkehrs, der Erhalt und Ausbau lokaler Versorgungsmöglichkeiten und die Sicherstellung ausreichenden Wohnraums sind entscheidend. Der Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur, auch im Freizeitbereich (z.B. Indoor-Angebote), die sowohl den Einheimischen, Zweitwohnungsbesitzer:innen (neu: Zweitheimischen) als auch den Touristen dient, ist für ein ausgewogenes Wachstum unerlässlich.
Gibt es spezifische Erfolgsbeispiele für nachhaltige Urbanisierungsprojekte in Andermatt, die als Vorbild für andere Bergdörfer dienen könnten?
Andermatts Integration nachhaltiger Praktiken in Entwicklungsprojekte, wie die Schaffung einer autofreien Zone im Resort, das umfassende und koordinierte Angebot in der E-Mobilität (Sportbus, Rufbus, Auto- und Fahrradverleih) und die Investition in erneuerbare Energien, kann als Modell dienen. Die Einbindung lokaler und regionaler Unternehmen in diese Projekte ist unerlässlich und hat sich ebenfalls als vorteilhaft erwiesen.
Welche Rolle spielt die lokale Bevölkerung in der Planung und Umsetzung von Projekten in Andermatt?
Während die strategische Ausrichtung und die Ausarbeitung von Leitbildern und Siedlungsplänen hauptsächlich von den Behörden iniziiert werden, ist die lokale Bevölkerung durch die demokratischen Prozesse und Partizipation an der Nutzungsplanung und bei gemeindefinanzierten Projekten direkt eingebunden. Die laufende öffentliche Beteiligung ist entscheidend für den Erfolg und die Akzeptanz von Urbanisierungsbemühungen (ohne diese als solche zu benennen, das würde nicht gut ankommen!).
Welche langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie durch die Urbanisierung von Andermatt auf die gesamte Region?
Die Urbanisierung von Andermatt hat schon und dürfte zukünftig weiter einen positiven Spillover-Effekt auf die umliegenden Gebiete haben, lokales und regionales Wirtschaften revitalisieren und die Abwanderung verringern. Die Schaffung eines zweiten wirtschaftlichen Zentrums im Kanton neben Altdorf, weist auf ein erhebliches Wirtschaftswachstumspotenzial im ganzen Kanton hin.
Zum Abschluss: Welchen Rat würden Sie anderen Gemeinden in den Alpen geben, die eine Urbanisierung planen, um wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten?
Urbanisierung ist nicht geplant und nicht das Ziel der Bevölkerung des Alpenraumes! Vielmehr aber müssen die weniger beachteten Folgen der Entwicklungen, welche zur Urbanisierung auch der Berggebiete führten und noch führen, im Auge behalten und antizipiert werden. Gemeinden sollten von Anfang an eine umfassende Planung verfolgen, die sicherstellt, dass alle Projekte einem übergeordneten Konzept der Nachhaltigkeit entsprechen. Es ist wichtig, neben den Bereichen Umwelt, Soziales und Wirtschaft, das lokale Humankapital zu entwickeln, um den wirtschaftlichen Anforderungen entgegen zu kommen und die Adaptionsfähigkeit der Menschen für den rasanten kulturellen und technologischen Wandel zu erhöhen. Auch gilt es hohe städtebauliche und architektonische Standards zu pflegen, innovatives, Nachhaltigkeits-orientiertes Unternehmertum zu fördern und auf nachhaltige Investitionen und wirtschaftliche Praktiken zu achten.